Glockengeläut... Die Schafe im Norden von Gran Canaria sind die letzten des Kanarischen Archipels, die in der alten Tradition der Wanderweide gehalten werden. Die Musik ihrer Glocken klingt über Pfade, Hänge und sogar Landstraßen. Für die Wanderung auf die Sommerweiden hat man ihnen die großen Glocken umgehängt. Insbesondere die cumplida grande ist wegen ihrer Klangfülle weitum zu hören. Am Ziel werden sie durch andere ersetzt, die bedeutend kleiner sind.
Zu Anfang des Sommers ziehen die Transhumanz-Herden aus Orten wie Fagajesto, Caideros und Lomo del Palo hinauf auf die Süd- und Westhänge des Gipfelgebiets. Vor Herbstbeginn kehren sie zurück auf die grünen Weiden des Inselnordens, gerade rechtzeitig, um von den Regenfällen zu profitieren, die die Felder und Weiden bewässern und die Kräuter sprießen lassen, die ihnen als Nahrung dienen.
Bei Anfang des Sommers werden sie geschoren. Sie ziehen nackt, ohne ihr dichtes Wollgestrüpp, auf die Sommerweiden hinauf. Im Herbst sind sie wieder da und lassen sich das Fell auf den grünen Wiesen, die ihre Stammweiden sind, vom Wind zerzausen.
Gegen Ende des Herbstes gebären die Mutterschafe ihre Lämmer. Die kleinen Widder bereichern die Gastronomie der Festtage, die kleinen Schäfchen wachsen zur nächsten Generation heran, die ihre Milch für den Schafskäse liefern wird. Gesetz des Lebens in der traditionellen Hirten- und Bauerngesellschaft, die heute schon längst vom Fremdenverkehr lebt, aber immer noch Nahrung braucht: um den Körper mit Mahlzeiten und die Seele mit Freude und Traditionen zu ernähren.
Der Zyklus wiederholt sich von Jahr zu Jahr. Auch der Tagesablauf der Schäfer besitzt einen ständigen Rhythmus: Melken, Pflegen, Weiden... Viel Mühe ist notwendig, um die köstlichen Käse zu erzeugen, und wir sind ihnen unendlich dankbar (oder sollten es zumindest sein), wenn wir uns hinsetzen um sie zu degustieren. Sie werden mit tierischem oder vegetarischem Lab angesetzt – in diesem Fall mit Wilddistelblüten – und aus einer Mischung von Ziegen- und/oder Kuhmilch hergestellt. Der Anstrengung einiger weniger Familien ist es zu verdanken, dass es diese einzigartigen Produkte heute überhaupt noch gibt...
Die einen feiern Feste wie das Wollfest (Fiesta de la Lana) und die Käsemesse (Feria del Queso), und die anderen – diejenigen, die die Felder und Gemüsegärten bestellen – das traditionelle Zwiebelfest (Fiesta de la Cebolla). Nicht umsonst sind die Einwohner von Gáldar nicht nur als galdenses, sondern auch als cebolleros (Zwiebler) bekannt. So bezeugte es schon Alfonso O'Shanahan in seinem "Großen Wörterbuch der kanarischen Mundart".
Über die Zwiebeln sei auch erwähnt, dass es auf den Kanaren verschiedene Sorten dieser Knollen mit den hervorragenden natürlichen antibiotischen Eigenschaften gibt. Die Zwiebeln von Gáldar sind ihrer Qualität wegen besonders geschätzt: die weißen für Kochtopf und Pfanne, die roten für den Salat.
Und auch sie sind vom Wind zerzaust. "Was die Zwiebeln brauchen, ist Sonne und Wind. Je mehr Sonne und Wind, desto besser. Der Wind beugt die Halme nieder und hilft den Knollen beim Wachsen", erläutert ein Bauer. Da die Zwiebeln außerdem "beim Setzen nicht eingebuddelt werden dürfen", liegen sind sie nicht tief im Boden, sondern sitzen gerade mal auf der Oberfläche. Fügen wir nun den Wind hinzu, den sie so mögen, dann haben wir unsere Zwiebeln mit den windzerzausten Halmen.